GEHLKEN, P.-L. (1998):
Qualitätskontrolle von keramischen Rohstoffen und technischen Massen auf der Basis der quantitativen Infrarotspektroskopie (FTIR).
Verschiedene Einsatzgebiete von industriell genutzten Tonen (Ton- und Sonderkeramik, Baukeramik, Ziegelindustrie, Feuerfestindustrie) stellen ganz unterschiedliche Anforderungen an den Aufbau und die Konsistenz der Rohstoffe.
Technische Merkmale wie z. B. Trocknungs- und Verflüssigungseigenschaften, Bildsamkeit, Sinter- und Schmelzverhalten werden in besonderem Maße durch den Mineralbestand, den Anteil der Mineralphasen im Rohstoff und durch das Auftreten störender mineralischer Beimengungen bestimmt. Vor dem Hintergrund ständig steigender Qualitätsanforderungen an keramische Rohstoffe und Massen (Gemisch aus natürlichen oder synthetischen Rohstoffen) gewinnt eine möglichst exakte, produktionsbegleitende Qualitätskontrolle zunehmend an Bedeutung. Neben einem definierten Körnungsaufbau und einer konstanten chemischen Zusammensetzung ist auch beim Mineralbestand eine gleichbleibende Qualität mit extrem geringer Parameterstreuung sicherzustellen (GEHLKEN & KRAKOW 1998)
Trotz aller Fortschritte in der Anwendungstechnik einschlägiger Methoden wie z. B. der Röntgendiffraktometrie beinhalten quantitative Phasenanalysen des modalen (Ton-)Mineralbestandes keramischer Rohstoffe und Massen erhebliche Probleme und Fehlermöglichkeiten. Die Problematik der quantitativen Mineralbestimmung kann nicht durch die chemische Analyse und hieraus berechnete normative Mineralbestände umgangen werden, da der Chemismus wichtiger Tonminerale beträchtlich schwanken kann. Die meisten Normberechnungen basieren auf willkürlichen Annahmen für den Mineralchemismus und sind dadurch stark limitiert. Kombinationen aus röntgendiffraktometrischen Phasenanalysen und chemischen Vollanalysen haben häufig nur begrenzten Aussagewert, sind zeitaufwendig und für Routinekontrollen meistens ungeeignet.
Die Anwendung der Infrarotspektroskopie (FTIR, Fourier Transform Infrared) bietet zur quantitativen Bestimmung des Mineralbestandes von natürlichen Tonen und technischen Massen interessante und bisher kaum genutzte Möglichkeiten. Die Ermittlung der prozentualen Anteile einzelner Mineralphasen läßt sich rechnerisch durch Messung der Extinktionen an ausgewählten Analysenbanden auf der Basis der Methode von FLEHMIG & KURZE (1973) vornehmen. Voraussetzungen für verläßliche quantitative Bestimmungen sind möglichst reine Eichproben und eine genaue Kenntnis sowohl der Korngrößen als auch der Kristallinität von Eichsubstanz und Probe. Mit Hilfe der IR-Spektroskopie (FTIR) können die einzelnen Mineralphasen leicht identifiziert und in engen Grenzen quantifizert werden (GEHLKEN 1997). Die IR-Spektroskopie (FTIR) erlaubt bei fast allen in den keramischen Rohstoffen und Massen auftretenden Mineralphasen eine exakte Bestimmung. Dies gilt insbesondere für die Minerale der Kaolingruppe, die Illite/Glimmer, die Chloritminerale, Quarz und andere SiO2-Modifikationen, die Feldspäte, die Karbonatminerale sowie die Aluminium- und Eisenhydroxide. Beim Auftreten von Tonmineralphasen wie Smektit, Vermikulit und Schichtmineralen mit Wechsellagerungsstruktur (Mixed Layer Mineralen) oder aber sonstigen Begleitmineralen (z. B. Oxide) ist eine Methodenkombination, bestehend aus infrarotspektroskopischen und röntgendiffraktometrischen bzw. chemischen Arbeitsverfahren, heranzuziehen. Ein weiterer wichtiger Vorteil der Infrarotspektroskopie ist die Bestimmung der organischen und der amorphen Anteile in den Tonrohstoffen und Massen.
Die technischen Eigenschaften werden auch durch den Chemismus und die Struktur spezifischer (Ton)Mineralphasen beeinflußt. So stellen beispielsweise der Chemismus und die Kristallinität der Illite oder die Polymorphie bzw. der Ordnungsgrad der Kaolinminerale wichtige Kenngrößen für die strukturspezifischen Eigenschaften der Rohstoffe dar.
Die Infrarotspektroskopie (FTIR) bietet ebenso wie die Röntgendiffraktometrie den Vorteil, in Mineralgemengen indirekt Rückschlüsse auf den Mineralchemismus nicht einzeln separierbarer Tonminerale ziehen zu können.
Bei den Illiten kann die Bestimmung der isomorphen Substitutionen in den Oktaeder- und Tetraederschichten mittels Infrarotspektroskopie nach der Methode von GEHLKEN (1987) vorgenommen werden. Die Ermittlung der bei diesem Verfahren für den Chemismus der Illite/Glimmer signifikanten IR-Parameter benötigt lediglich einen relativ geringen Zeitaufwand und ermöglicht so überhaupt erst, auch größere Probenserien zu bearbeiten. Der Kristallisationsgrad der Illite/Glimmer läßt sich infrarotspektroskopisch zuverlässig nach der Methode von FLEHMIG (1973) bestimmen. Bei den Kaolinmineralen erlaubt die IR-Spektroskopie eine Messung der Ordnungs-Unordnungseffekte und zudem eine sichere Unterscheidung der verschiedenen Polytypen.
In Abhängigkeit von der Korngröße und der chemischen Zusammensetzung werden Chlorite durch Elektrolytlösungen unterschiedlich stark angegriffen. In Fe(II)-Orthochloriten und Leptochloriten kann es leicht zu einer Aufoxidation des zweiwertigen Eisens kommen, das dann zusammen mit dem vorhandenen Magnesium aus den Oktaederschichten entzogen wird. Anschließend wird das oktaedrisch gebundene Aluminium verdrängt. Das Lösen des tetraedrischen Aluminiums und des Siliziums hat die Auflösung der Chloritstrukturen zur Folge. Mg-Chlorite sind wesentlich widerstandsfähiger als Fe-reiche Chlorite. Neben dem Chemismus haben auch bei den Chloriten strukturelle Unterschiede eine große Bedeutung. Reine 14-Å Chlorite (Normalchlorite) sind insgesamt resistenter als Chlorit-Vermikulit-Wechsellagerungen oder aber Chlorite mit 7 Å-Anteilen.
Bei Kaoliniten werden durch die eingesetzten Säuren keine derartigen Lösungserscheinungen hervorgerufen.
Als Deponieabdichtungsmaterial sollten Tone mit innerkristallin nicht quellfähigen Phyllosilikaten eingesetzt werden. Für einen Dichtungsbaustoff spielt neben dem (Ton-)Mineralbestand vor allem auch die kristallchemische Zusammensetzung der Phyllosilikate eine bedeutende Rolle. Bei illitischen Tonen sind diejenigen, die Mg-, Fe-arme, gut kristalline Illite führen, zu bevorzugen. Tone mit Fe-reichen Chloriten (Fe(II)-Orthochlorite und Leptochlorite) sollten als Dichtungsmaterial nicht verwandt werden.
Durch eine gleichzeitige quantitative Ermittlung der mineralogischen und der chemischen Zusammensetzung der keramischen Rohstoffe bzw. Rohstoffgemische wird eine sinnvolle Korrelation des modalen (infrarotspektroskopisch bestimmten) und des chemischen Stoffbestandes möglich, wie an Praxisbeispielen von natürlichen (Ton-)Rohstoffen und technischen Massen gezeigt wird. Die quantitative infrarotspektroskopische (FTIR) Phasenanalyse ist als Verfahren zur Qualitätskontrolle in der keramischen Industrie gut geeignet.